1. Ausgangslage
Logistikdienstleister, die sich auf die Pharmalogistik spezialisert haben, sind gleichsam ‚Wanderer zwischen beiden Welten‘: Einerseits leben sie in der Welt der logistischen Dienstleistungen, die von Flexibilität und Agilität gekennzeichnet ist; andererseits werden sie bis tief in die eigenen Prozesse hinein durch die Anforderungen sowohl ihrer Kunden aus der Pharmaindustrie als auch der regulatorischen Vorgaben beeinflusst und determiniert (vgl. auch Spiggelkötter, S. 479).
1.1 Pharmalogistik
Mit einem Logistikkostenanteil am Umsatz von (vergleichweise geringen; vgl. allgemein zu den Umsatzanteilen der Logistikkosten Jung, S. 20/21) 4,2% und einer Null-Fehler-Toleranz in der Prozesskette ist bzw. war die Pharmaindustrie tendentiell eher zurückhaltend gegenüber einer Auslagerung von Teilprozessen an externe Dienstleister (vgl. Lützen), m.a.W.: der ‚Leidensdruck‘ war nicht groß genug, um den Weg des Outsourcings in größerem Maßstab zu beschreiten. Inzwischen ist aber auch für die Hersteller das Umfeld deutlich volatiler und unruhiger geworden: Umfassende gesetzliche Sicherheitsauflagen, auslaufender Patentschutz für bisherge Blockbuster bei gleichzeitigem Fehlen einer ausreichend gefüllten Pipeline von in der Entwicklung befindlichen umsatzstarken neuen Arzneimitteln, die zunehmende Relevanz von Generikaherstellern, Reimporte von Pharmazeutika und damit verbundene reduzierte Erlöse und schmalere Margen veranlassen die Unternehmen, in neue Märkte vorzudringen, ihre Kernkompetenzen systematisch zu definieren und sich konsequenter darauf zu konzentrieren, als das in der Vergangenheit der Fall war. Kundenanforderungen an die Produktverfügbarkeit und sich wandelnde und verlagernde Vertriebskanäle spielen ebenfalls eine große Rolle. Pharmazeutika werden heute global hergestellt und vertrieben. In diesem Kontext wird Logistik immer mehr zum Bindeglied für globale Produktionsverbünde und in die Emerging Markets hinein (Andres, S. 17).
Den Umgang mit zunehmend temperaturkontrollierten Transporten in unterschiedlichen Temperaturfenstern und die Erhöhung der Sicherheit der Supply Chain sehen die Beteiligten an der Pharmalogistikkette als zwei der wichtigsten aktuellen und zukünftigen Themen. Auch die Individualisierung von Therapie und Medikation und eine dadurch bedingte stärkere Segmentierung in produkt- sowie kundengruppenspezifische Supply Chains sowie kleinere Chargen werden die Pharmalogistik künftig stärker prägen. Für die spezialisierten Dienstleister wird der Postponement-Ansatz, also die Verlagerung der Erstellung kunden- bzw. marktorientierter Endverpackungen oder anderer Spezial-Problemlösungen auf eine möglichst späte Wertschöpfungsstufe, künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen (vgl. zum Ganzen Andres, S. 17; Strobl, S. 19).
Um auf den zunehmenden Wettbewerbs-, Leistungs- und Preisdruck sowie auf steigende Flexibilitätsanforderungen und neue Absatzkanäle zu reagieren und Investitionen außerhalb des eigenen und eigentlichen Kerngeschäfts zu vermeiden, hat die Pharmabranche in den letzten Jahren zunehmend die strategische Relevanz der Logistik erkannt und sich den Logistikdienstleistern geöffnet, nimmt das Outsourcing in der Pharmalogistik weiter zu. Die Logistikkosten sollen gesenkt und Finanzmittel in Forschung und Entwicklung umgelenkt werden (vgl. zum Ganzen Lützen; Körner). Nebenbei sei angemerkt, dass sich dieser Prozess erstaunlicherweise zeitlich erheblich später vollzieht als das bereits seit Jahren praktizierte und mindestens ebenso sensible Outsourcing von Herstellungsprozessen an externe Lohnfertiger der Pharmaindustrie.
War also die Pharmalogistik in der Vergangenheit zumeist integraler Bestandteil der Produktionsunternehmen selbst wird sie heute häufig ausgelagert. Zudem sehen sich die Dienstleister einem stärker globalisierten Markt gegenüber (vgl. für die Chemieindustrie Reinhard). Diese grundlegenden Veränderungen haben selbstverständlich und zwangsnotwendig erhebliche Auswirkungen auf die Personalgewinnung in der und für die Pharmalogistik.
Gleiches gilt angesichts der Komplexität und zunehmender regulatorischer Vorgaben an die Unternehmen der Pharmalogistik. Durch die Übertragung der aus der Pharmaherstellung bekannten EU-Guidelines der GMP (Good Manufacturing Practice) auf Transport und Lagerung pharmazeutischer Produkte in Form der GDP (Good Distribution Practice)-Richtlinien steigen die Anforderungen an die Logistikdienstleister der Pharmaindustrie ganz erheblich. Ziel ist eine Verbesserung von Qualität und Compliance in der Distribution. Nachverfolgbarkeit, Produktsicherheit und aktive Temperaturkontrolle sind insoweit entscheidende Stichworte (vgl. auch Andres, S. 17). Schnelligkeit, Sicherheit und Effizienz verlangen in diesem Branchenumfeld ein außerordentliches Maß an logistischer Exzellenz. Die Entwicklung und Implementierung veränderter Prozessstrukturen, die Planung und Umsetzung infrastruktureller Investitionen in Fuhrpark, Kühltechnik, Immobilien, Mitarbeiter- und Subunternehmerschulung sowie in Qualitätsmanagement und intelligente IT-Systeme sind nur einige Beispiele. Der Einsatz moderner, cloudbasierter Technologien für mehr und bessere Datenkontrolle, eine schnelle Vernetzung und mehr Transparenz im gesamten Wertschöpfungsnetz unterstützt die sinnvolle Kollaboration zwischen Herstellern, Großhändlern und Dienstleistern und ermöglicht so die ganzheitliche Betrachtung einer sicheren Lieferkette (vgl. zum Ganzen Körner). Im Gegenzug erweitern viele Logistikdienstleister ihr Leistungsspektrum, da sie insbesondere in den Sonder- und Komplementärfunktionen solide und realistische Wertschöpfungspotentiale sehen. Ein solchermaßen erweitertes, breites Leistungsangebot umfasst beispielsweise auch Finanzierungsleistungen, zusätzliche Leistungstools der Telematik oder GPS-Monitoring, z.B. von Temperaturen und Geschwindigkeiten. Diese zusätzlichen Features spielen insbesondere bei hochpreisigen Pharmalogistikdienstleistungen eine wettbewerbsentscheidende Rolle bei der Auswahl des externen Dienstleistungspartners. Viele Dienstleister sehen demgemäß ihre Chance in der Entwicklung und Bereitstellung innovativer Speziallösungen mit einer deutlichen Dominanz der Sonderleistungen im Verhältnis zu den konventionellen logistischen Leistungen im engeren Sinne (vgl. Spiggelkötter, S. 498). Durch all das wird die logistische Tätigkeit als solche in operativer wie in intellektueller Hinsicht anspruchsvoller und - aus der Sicht von Führungskräften - deutlich attraktiver.
1.2 HR-Herausforderungen in der Logistik
Nicht nur die Pharmaindustrie als Kunde stellt besondere und zunehmende Anforderungen an die Logistikdienstleister. Diese sind vielmehr noch anderen, ganz grundsätzlichen und kundenunabhängigen Herausforderungen in der Frage der Personalgewinnung ausgesetzt (vgl. zum folgenden und insgesamt die Studie ‚Transportation & Logistics 2030, Volume 5: Winning the talent race‘ von PwC PricewaterhouseCoopers und EBS Business School). Durch die demographische Entwicklung entsteht in manchen Bereichen, z.B. bei den Fahrern, schon heute ein spürbarer Personalmangel. Die Branche Logistik und Transport wächst in vielen Volkswirtschaften schneller als das jeweilige ‚Angebot‘ an qualifizierten und motivierten Mitarbeitern. (Wann immer im folgenden der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber nur die maskuline Form verwendet wird [z.B. Kandidat], ist zugleich die feminine Form mit eingeschlossen.) Die sich daraus potentiell zukünftig ergebenden Engpässe machen deutlich, dass es sich hier um ein strategisches Thema mit Auswirkungen auf alle Unternehmensbereiche handelt, das die Aufmerksamkeit des Top-Managements zwingend erforderlich macht. Es kommt darauf an, das Human Resources (HR) Management nicht als bloß untertsützende Funktion zu betrachten, sondern als strategischen Partner der Unternehmensleitung anzuerkennen und aktiv in die Unternehmensentwicklung einzubeziehen. Die Personalentwicklungsplanung von HR muss mit der Unternehmensplanung des obersten Managements verzahnt, aus ihr abgeleitet und mit ihr weiterentwickelt werden.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist das Image der Logistik als Branche. Auch der terminologische Umstellungsprozess der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, in dessen Verlauf die Bezeichnungen ‚Spedition‘ und ‚Transportunternehmen‘ zunehmend durch den Begriff ‚Logistik‘ substituiert wurden, hat nicht zu dem erhofften Imagewandel geführt. Vielmehr schwingen für viele potentielle Kandidaten bei Logistik und Transport noch immer die Vorurteile einer gewissen ‚Schmuddeligkeit‘, eines hemdsärmeligen, eher semiprofessionellen Agierens und schlechter Bezahlung mit. Viele nehmen die Logistik als Branche, geschweige denn als Zukunftsbranche, trotz ihrer maßgeblichen volkswirtschaftlichen Bedeutung schlicht nicht wahr. Der Logistics Performance Index 2014, eine Studie der Weltbank, sieht in der Ausbildung von Logistikfachleuten und Supply Chain Management-Spezialisten eine der wichtigsten Aufgaben für das Funktionieren der Weltwirtschaft. In Deutschland ist die Logistik der größte Wirtschaftsbereich nach der Automobilwirtschaft und dem Handel. Sie rangiert noch vor der Elektronikbranche und dem Maschinenbau und übertrifft mit rund 3 Millionen dessen Beschäftigtenzahl um das Dreifache. Die Steuerung der Waren- und Informationsflüsse, aber auch der Transport der Güter und ihre Lagerung sind wichtige Wirtschaftsfunktionen, die hohe Werte schaffen. Rund 240 Milliarden Euro Umsatz wurden im Jahr 2015 branchenübergreifend erwirtschaftet. Damit hat Deutschland einen Anteil von 25 Prozent am europäischen Logistikmarkt, der auf 960 Milliarden Euro (2014) geschätzt wird. Dies ist zum einen auf die geographische Lage Deutschlands im Herzen Europas, zum anderen aber auch darauf zurückzuführen, dass Deutschland eine internationale Spitzenposition in Infrastrukturqualität und Logistiktechnologie einnimmt (vgl. BVL).
Nur knapp die Hälfte der logistischen Leistungen, die in Deutschland erbracht werden, besteht in der gemeinhin sichtbaren physischen Bewegung von Gütern durch Dienstleister. Die andere Hälfte findet in der Planung, Steuerung und Umsetzung innerhalb von Unternehmen statt. Dieser Umstand wie auch die massive Bedeutung von IT, Technologie und Digitalisierung gleichsam als Rückgrat der Logistik sind erhebliche Faktoren, welche die Wahrnehmung der Logistik als eine moderne, attraktive Branche der Zukunft nachhaltig prägen können. Um ein Vielfaches mehr dürfte dies für die Pharmalogistik gelten, welche die Pharmaindustrie als die am zweitmeisten zukunftsfähig angesehene Branche in Deutschland (vgl. IW Consult, S. 8) mit innovativer Logistik verbindet.
Insgesamt wird es erheblicher finanzieller und motivatorischer Investitionen bedürfen, um die Herausforderungen für eine zukunftsfeste und adäquate HR-seitige Aufstellung der Logistikdienstleiter im Allgemeinen wie der Pharmalogistikunternehmen im Besonderen erfolgreich zu bestehen. Dabei geht es um Investitionen sowohl in das Recruiting und Onboarding qualifizierter und talentierter Führungskräfte und Managementpersönlichkeiten mit Leadership als auch in Ausbildung, Training/Coaching und Weiterentwicklung vorhandener Leistungsträger.
2. Chancen und Einflussfaktoren für die Personalgewinnung und Personalbindung
2.1 Anforderungen an Logistikmanager und Transfer von Führungskräften aus der Industrie in die Logistik
Angesichts der geschilderten Veränderungen und Herausforderungen ist offensichtlich, dass sich das Anforderungsprofil an Führungskräfte in der Logistik, zumal auf Dienstleisterseite, ändert. Die komplexen Strukturen moderner Versorgungsketten fordern pragmatisch handelnde und zugleich abstrakt denkende Logistikmanager (vgl. zum Ganzen Lohaus, S. 22).
Rund 3 Millionen Menschen sind in der deutschen Logistikwirtschaft beschäftigt – viele davon in kleinen und mittleren Betrieben. Doch der Trend geht eindeutig zu größeren Unternehmensgruppen und Kooperationen. Die damit verbundene Ausweitung des Dienstleistungsportfolios verfolgt den Zweck, die deutlich gesteigerten Erwartungen der Kunden an die Logistikdienstleister zu erfüllen und sich zugleich im wettbewerbsintensiven Branchenumfeld zu differenzieren. Um diesem neuen Anforderungsprofil zu genügen, muss auch das Management Team eines Logistikdienstleisters zusätzliche Qualifikationen aufweisen.
Der klassisch intern zur Führungskraft aufgestiegene Speditionskaufmann stößt dabei immer häufiger an seine Grenzen. So gehören zum Angebotsportfolio eines Logistikdienstleisters heute nicht mehr nur Transport-, Umschlags- und Lagerleistungen, sondern auch die Gestaltung, Umsetzung, Organisation und Steuerung vollständiger Lieferketten (Supply Chains). Darüber hinaus wird von einem modernen Logistikdienstleister, wenn er etwa als Lead Logistics Provider (LLP) tätig ist, die Organisation aller wesentlichen logistischen Prozesse einschließlich der Lieferantenkoordination, der IT-Integration sowie der Übernahme kundenspezifischer Value Added Services erwartet. Ein derartig aufgestellter Dienstleister kann zugleich auch die Funktion eines Fourth-Party-Logistikers (4PL) wahrnehmen, der keine eigenen Assets in Form von Fahrzeugen oder Lagerhallen mehr unterhält, sondern als neutraler Mittler zwischen seinen Kunden und anderen Logistikdienstleistern fungiert.
Um Unternehmen mit solchen Leistungsspektren zu lenken, müssen Führungskräfte in der Logistik ganz bestimmte Kompetenzen mitbringen. An erster Stelle stehen ein hohes Abstraktionsvermögen sowie die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte schnell zu erfassen und sicher zu beherrschen. Außerdem müssen an die Stelle der früher häufig in der Logistik zu beobachtenden ‚Hauruck-Mentalität‘ das Denken in ganzheitlichen und integrierten Prozessen sowie die Fähigkeit treten, strategisch, aber pragmatisch zu planen und zu arbeiten. Darüber hinaus sind neben einer strukturierten und methodischen Arbeitssystematik ausgeprägte IT-Kenntnisse erforderlich. Letztlich geht es um die Kombination aus Management- und ingenieurwissenschaftlichen Erfahrungen verbunden mit einem soliden kaufmännischen Wissen.
Wie wichtig diese Kompetenzen für Logistikmanager sind, zeigen die oben aufgeführten veränderten Anforderungen der Pharmaindustrie an ihre Logistikpartner. Unter anderem kommt es dabei wesentlich darauf an, die Parallelität und den permanenten Abgleich von Waren- und Informationsflüssen sicherzustellen und zu jeder Zeit über die korrekten Status- und Prognoseinformationen zu verfügen. Der Logistikmanager der Zukunft ist also mehr ‚spezialisierter Generalist‘ als ‚altgedienter Praktiker‘. Der Aufstieg solchermaßen ‚altgedienter Praktiker‘ zur Führungskraft war zwar jahrzehntelang sachgerecht und daher erfolgreich möglich. Bei den kontinuierlich komplexer und anspruchsvoller werdenden Aufgaben, derer sich die Logistik stellt und die gerade die enormen Zukunftschancen der Logistik begründen, stößt dieser jedoch zunehmend an seine Grenzen.
Eine Lösung für Logistikunternehmen, um auch künftig wettbewerbsfähig zu sein, kann daher die Besetzung von Führungspositionen mit Quereinsteigern sein, die keine gelernten Logistiker sein müssen, sondern in erster Linie eine breite Management- und/oder spezifische Branchenerfahrung mitbringen. Im vorliegenden Zusammenhang ist hier in erster Linie an erfahrene Führungskräfte aus der Pharmaindustrie zu denken, die auf die Seite des Pharmalogistikdienstleisters wechseln. Solche Seitenwechsel sind zugleich ein erfolgversprechender Weg für Logistikdienstleister, um in die Pharmalogistik einzusteigen oder dort weiter zu wachsen. Mit der Rekrutierung von Spezialisten aus der Pharmaindustrie bauen sie ihr eigenes pharmaspezifisches Know-how auf bzw. aus und erwerben dadurch die nötige Kompetenz, um von der Industrie als qualifizierter Partner akzeptiert zu werden. Auf die besonderen Herausforderungen, die derartige Wechsel aus der Pharmaindustrie auf die Dienstleisterseite im Hinblick z.B. auf Vergütungsunterschiede und Branchenreputation mit sich bringen, wird noch separat einzugehen sein (vgl. dazu unten 2.2 und 2.3).
Um die passenden Kandidaten für das eigene Unternehmen zu interessieren, muss der Logistikdienstleister den Erwartungen der Führungskräfte an Strukturen und Rahmenbedingungen, die professionelles Arbeiten erst ermöglichen, entgegenkommen. Nur so lassen sich die begehrten Quereinsteiger nicht nur für das Logistikwesen begeistern, sondern auch langfristig an das Unternehmen binden. Wichtig ist dabei allerdings, dass die ein Logistikunternehmen kennzeichnende Flexibilität und Unmittelbarkeit seiner zumeist mittelständischen Strukturen nicht verlorengehen. Denn auf die geschätzte und gewohnte Geschwindigkeit, Flexibilität und Direktheit im täglichen Umgang möchten die Kunden keinesfalls verzichten. In vielen Fällen sind es nämlich gerade diese Qualitäten des Dienstleisters, die ihn erheblich von den starren Konzernstrukturen der Kunden unterscheiden, was immer wieder einer der entscheidenden Gründe für die Wahl eines externen Dienstleisters als agilem ‚Schnellboot‘ ist.
Die Herausforderung für die Logistikbranche besteht also darin, dass die Logistikmanager neuen Typs von der Qualifikation her eher aus größeren, klar professionell ausgestalteten Strukturen kommen sollten, sie von der Persönlichkeit her aber in der Lage sein müssen, sich in einem mittelständischen, bisweilen noch nicht voll professionalisierten Umfeld zurechtzufinden und erfolgreich zu arbeiten. In Zukunft wird es in den Führungsfunktionen der Logistikdienstleister mithin immer mehr auf den richtigen Mix ankommen – einerseits die richtige Zusammensetzung von Führungsteams als Ganzen, andererseits aber auch die Kombination diverser Kompetenzen bei den einzelnen Persönlichkeiten selbst. Im Hinblick auf die künftige Gültigkeit herkömmlicher Ausbildungshintergründe in der Logistik geht es nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Viele der Charakteristika des Speditionskaufmanns alter Prägung, der sich durch Kreativität, Unkompliziertheit und die Fähigkeit auszeichnet, innerhalb kürzester Zeit Lösungen zu finden, gehören auch zum Profil des ‚neuen‘ Logistikers, aber eben bei weitem nicht allein.
2.2 Branchenreputation
Ein maßgeblicher limitierender Faktor für die Ausstattung der Logistikdienstleister mit gerade für die Pharmalogistik so essentiellen hochqualifizierten Führungskräften ist die stark verbesserungsbedürftige Reputation von Logistik und Transport als Branche (vgl. dazu allgemein Scholz). Diesem Umstand kommt eine umso höhere Relevanz zu als die Pharmaindustrie aus Bewerbersicht als deutlich attraktiver als die Logistikbranche wahrgenommen wird, die Logistikunternehmen zugleich aber darauf angewiesen sind, gerade auf solche Führungskräfte eine hohe Anziehungskraft auszuüben. Auf dem Radar vieler High Potentials, seien sie nun Einsteiger oder erfahrene Führungskräfte, tauchen Logistikdienstleister als innovative Unternehmen in einem anspruchsvollen, zukunftsträchtigen Markt schlicht nicht auf.
Im Hinblick auf die Image-Frage gilt es, zwei Ebenen zu unterscheiden, die einerseits eng verzahnt sind, andererseits aber auch jede für sich gestalt- und damit verbesserbar sind. Da ist zum einen die Branche als solche und als ganzes, die durch ihre diversen Branchenverbände repräsentiert und damit auch in ihrer öffentlichen Wahrnehmung mitbestimmt wird. Und da sind zum anderen die zahlreichen Einzelunternehmen selbst, die in ihrer Gesamtheit die Branche ausmachen und über die am meisten konkrete und am unmittelbarsten erfahrbare Möglichkeit verfügen, die Branchenreputation positiv zu beeinflussen. Bei ihnen muss das Bestreben ansetzen, die Branche als das wahrnehmbar und erfahrbar zu machen, was sie ist: innovativ, zukunftsgerichtet und zukunftsträchtig, übergreifend und vernetzend sowie unabdingbar für die digitale Zukunft aller anderen Branchen (vgl. dazu auch Hector).
In diesem Zusammenhang kommt der Marke des einzelnen Logistikdienstleisters als Unternehmens- wie als Arbeitgebermarke eine ganz entscheidende Bedeutung zu: Eine starke, positiv besetzte Marke kann dem individuellen Unternehmen ganz maßgeblich helfen, den Einfluss des negativen Branchenimages für sich deutlich zu relativieren oder eventuell sogar ganz ‚auszuschalten‘.
Hinzu kommt schließlich ein weiteres Element, das ebenfalls um ein vielfaches bedeutender und wirkungsvoller ist als alle sachlichen Faktoren und das nur die einzelnen Unternehmen bestimmen und prägen können: die Unternehmens- und Branchenkultur, der Umgang miteinander, die Internationalität und kulturelle Vielfalt und damit schlussendlich das emotionale Moment. Solche Erfahrungen sind glaubwürdiger, authentischer und nachhaltiger als jede zentral gesteuerte Imagekampagne eines Verbands. Erst die Verbindung und gegenseitige Unterstützung beider Elemente dürfte langfristig erfolgreich einen Imagewandel bewirken können.
Aufgrund des guten Ansehens der Pharmaindustrie als Arbeitgeber liegt für die Pharmalogistikunternehmen in der Verbindung von Pharma und Logistik eine besondere Chance, Reputation und Attraktivität zu steigern.
2.3 Vergütung
Eine weitere nicht zu vernachlässigende Herausforderung im Kampf um die echten Talente – seien es Berufseinsteiger oder sog. Professionals – sind die unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten und Einkommenshöhen, insbesondere im Verhältnis zwischen der Pharmaindustrie einerseits und dem Logistiksektor andererseits.
Wie eine aktuelle Analyse ergab (vgl. hierzu und zum folgenden Compensation Partner), zahlt die Pharmaindustrie über verschiedene Berufe hinweg die höchsten Gehälter. Wer in der Pharmaindustrie arbeitet, kann 20 % mehr Gehalt erwarten als in anderen Branchen. An zweiter Stelle liegen die Branchen Chemie/Verfahrenstechnik und der Halbleitersektor, die jeweils 19 % mehr als der Durchschnitt zahlen. Der Anlagenbau, der Maschinenbau, Banken und Software liegen mit einem Plus von jeweils 18 % knapp dahinter. Zu den zehn am besten zahlenden Branchen gehören außerdem Medizintechnik, Elektrotechnik sowie Unternehmensberatungen. Der starke Einfluss von Branchen wie der Pharma- oder Chemieindustrie dürfte zum einen auf den hohen Ausbildungsstand der Beschäftigten und zum anderen auf den Wettbewerb um Spezialisten auf dem Markt zurückzuführen sein. Zu den Wirtschaftsbereichen mit einem negativen Einfluss der Branche auf das Gehalt gehört demgegenüber der Bereich Logistik, Transport, Verkehr. Hier liegt die Vergütung 12 % unter dem branchenübergreifenden Gehaltsdurchschnitt. Dem Global Wage Report der International Labour Organisation (ILO) zufolge ist der Bereich Transport überall auf der Welt einer der Sektoren mit der signifikantesten Niedriglohnkonzentration (vgl. International Labour Organisation, Global Wage Report, 2010/2011; PwC/EBS Business School, S. 18). Interessante Rückschlüsse lässt auch der Ländervergleich in folgender Abbildung 1 (aus PwC/EBS Business School, S. 19) zu: