Du fragst nicht: Was braucht der Markt, sondern was braucht die Welt?

Dr. Konieczny, Dr. Viebahn, Familienunternehmen, Führung

„Es geht nicht um Disziplin und Willenskraft, sondern um einen inneren Antrieb. Das ist eine andere Tonalität. Das ist ein fundamentaler Gedanke, der ist vielleicht auch gar nicht sexy, aber der steht einfach für lange da, und Menschen finden sich unter ihm wieder.“

Ein Dialog mit Frank Dopheide zum Thema „Sinn“

INTERCONSILIUM: Wie reagieren eigentlich deutsche Unternehmer und CEOs, wenn Sie diese auf das Thema Sinn oder neudeutsch Purpose ansprechen?

DOPHEIDE: Wir sprechen nur mit den Empfänglichen, und die Anzahl der Empfänglichen wächst. Unternehmer und CEOs sind aus drei Gründen aufgeschlossener geworden: Sie merken, dass ihr klassisches Geschäftsmodell so nicht mehr funktioniert. Sie merken, dass die Art, wie sie Mitarbeiter rekrutieren, halten und entwickeln, nicht mehr funktioniert. Und sie merken, dass ein „Ich mach die Ansage und du machst, was ich dir sage!“ auch nicht mehr funktioniert. Unternehmer und CEOs fühlen, dass etwas fehlt und sie jetzt etwas Neues brauchen. Und die, die dieses Gefühl haben, kommen zu uns und sind empfänglich für das Thema Sinn.
Es ist spannend, warum das Thema gerade jetzt auf die C-Ebene gekommen ist, denn die Sinnfrage, also Purpose, ist ja nicht neu: Jetzt haben die großen Investoren das Thema für sich entdeckt und adressieren es offen und nachdrücklich.

INTERCONSILIUM: Sie spielen auf Larry Fink, den Gründer und CEO von Blackrock, an.

DOPHEIDE: Larry Fink ist unser bester Vertriebsmitarbeiter. Er war auf dem Bankengipfel des Handelsblatts Ende 2019. Am Abend vor der Veranstaltung hatte er alle DAX-CEOs zusammengerufen und eine Stunde über Purpose gesprochen. Und das Wort von Larry Fink hat Gewicht! Der Mann verwaltet je nach Börsenlage rund sieben Billionen Dollar und hält signifikante Anteile an allen großen deutschen Aktienunternehmen.
Sein langfristig größtes Anlagerisiko ist nicht Digitalisierung, nicht China und sicher nicht der Corona-Virus, sondern dass den Unternehmen die gesellschaftliche Akzeptanz verlorengeht. Dass die Gesellschaft den Stecker zieht und sagt: „Die Deutsche Bank, wofür brauchen wir die nochmal genau? Oder die Commerzbank, Volkswagen, Bayer?“. Wenn das passiert, kann kein Manager der Welt die Situation mehr handhaben und gegensteuern. Insofern hat er den CEOs das Sinn-Thema ins Pflichtenheft geschrieben, und deshalb wächst gerade jetzt die Hinwendung dorthin. Wenn Larry das nächste Mal anruft und fragt, „Wie weit seid ihr bei dem Thema?“, und du sagst, „Oh, bin ich noch gar nicht dazu gekommen.“, wird das ein schwieriges Telefonat.

INTERCONSILIUM: Es steckt also ein zutiefst wirtschaftliches Interesse dahinter. Gehen wir hier tiefer rein: Wo und wann haben Unternehmen den „Sinn“ aus dem Auge verloren?

VITA  Frank Dopheide

Frank Dopheide (*1963) ist Mehrfachgründer, Markenexperte, Visionär und ehemaliger Geschäftsführer des Handelsblatts.
Mit seinem neu gegründeten Unternehmen Human Unlimited berät Dopheide Unternehmen zum Thema Purpose. Unter dem Claim „Human is the next big thing“ spricht er sich akzentuiert für eine (Rück-)Besinnung auf den Menschen als Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg aus.

DOPHEIDE: Es begann mit Milton Friedman in den 60ern in den USA und zeitverzögert in Deutschland. Das deutsche Modell der Geschäftsführer und Generalbevollmächtigten ist durch das Modell „Manager“ abgelöst worden. Die Manager haben sich an die gemachten Schreibtische gesetzt, die zuvor die Gründer und Erfinder aufgebaut haben. Den Managern ist dann überhaupt nichts Neues mehr eingefallen. Sie haben vielmehr alles sehr erfolgreich end-optimiert: Prozesse, Strukturen, Börsenkurse, ihr eigenes Gehalt. Und sie hatten einen totalen Fokus auf den Shareholder. Der Shareholder ist aber in einem Unternehmenskomplex der kleinste Teil. Und mit dem maximalen Fokus auf diesen kleinsten Teil haben sie dann alle anderen Stakeholder verloren. Zum größten Teil den Menschen, die eigenen Mitarbeiter. Sie wissen besser als ich, dass 60% der Mitarbeiter keine emotionale Bindung mehr zum Unternehmen haben. Zuletzt haben sie dann auch noch den Kunden verloren, weil sie den auf Rabatte dressiert und damit die gesamte Loyalität aufgelöst haben.

INTERCONSILIUM: „50% auf Küchen.“ Wenn man die nicht schon von vornherein bekommt, fühlt man sich automatisch schlecht.

DOPHEIDE: Und über den Tisch gezogen. „Ich find die Küche gut. Passt alles, aber wenn Du mir keinen Rabatt gibst …“ Irre! Wirtschaft hat doch einen ganz simplen Mechanismus. Von Mensch A geht etwas zu Mensch B. Hier findet eine Transaktion statt. Wenn es Mensch B aber nicht mehr gibt oder er nicht mehr will, dann bist du mit deinem Latein am Ende. Denn am Ende der Effizienzkette steht die Leere. Da stehen wir jetzt gerade. Wir brauchen jetzt neue Leitideen.

INTERCONSILIUM: Und dann haben Globalisierung und Digitalisierung mit der weiteren Entmenschlichung das Fass zum Überlaufen gebracht.

DOPHEIDE: Ja. Es ist gekippt. Mehr Optimieren geht nicht.

INTERCONSILIUM: Sehen Sie in diesem Kontext z.B. Familienunternehmen anders als börsennotierte Unternehmen?

DOPHEIDE: Ja, eindeutig. Es ist nicht Auenland, aber auch nicht so weit davon entfernt. Warum? Weil der Gründungsmythos noch spürbar ist. Sie erinnern sich noch - selbst über Generationen hinweg - warum sie das Geschäft eigentlich angefangen haben. Und die Sinnfrage beginnt eben mit dem „Warum …“ und nicht mit dem „Was machen wir“. Dies ist ein wirklich starkes Asset. Familienunternehmen sind aber trotzdem in Gefahr, weil sich die Geschäftsmodelle geändert haben. Was du in den letzten 50 Jahren gemacht hast, trägt dich nicht mehr die nächsten 50 Jahre weiter. Insofern brauchen die Familienunternehmen eine neue Perspektive auf das „Warum“.

„Die Menschen in den
Unternehmen müssen an
das glauben, was sie Tag
für Tag tun.“

INTERCONSILIUM: Das heißt, die Geschichte, die man hat, die Geschichten, die man teilt, tragen zur Identifikation bei.

DOPHEIDE: Ja. Warum heißt unsere Firma „Human Unlimited“? Warum glauben wir, braucht es andere Mechanismen, um wieder Menschen hinter sich zu bringen? Eben weil Menschen anders funktionieren als Computer. Anders als Computer oder Tiere können Menschen sich und ihre Welt verändern. Und Menschen glauben an die absurdesten Dinge. Ein Beispiel: Frank Dopheide glaubt „Schalke wird irgendwann mal Meister.“ Die Menschen in den Unternehmen müssen aber an das glauben, was sie Tag für Tag tun. Wenn man den Glauben an das eigene Handeln verloren hat, ist alles weg. Kreativität, Commitment, Empathie, alles. Insofern hat das alles mit diesem Glauben zu tun. Was machen wir? Wofür ist das gut? Und warum bin ich hier? Menschen lieben keine Zahlen - auch wenn die Controller das immer denken - sondern Stories. Von Tag eins der Menschheitsgeschichte an. Sie müssen verstehen, was in der Welt passiert, in welchem Kapitel wir gerade sind und welche Rollen sie in dieser Geschichte haben. Insofern ist „Storytelling“ ganz entscheidend.
Familienunternehmen haben es oft leichter, weil sie den Ursprungsgedanken ihrer eigenen Geschichte festgehalten haben, weil sie schon ein paar Kapitel formuliert haben, weil sie nicht aus dem Nichts kommen und ihre Geschichte nicht auf Excel-Charts, sondern um Menschen und Persönlichkeiten herum aufgebaut haben.

INTERCONSILIUM: Die Startposition ist also nicht bei Null. Aber man muss trotzdem etwas tun, um nicht in die gleiche Falle zu geraten wie viele andere Unternehmen.

„Menschen lieben keine
Zahlen, sondern Stories.“

DOPHEIDE: Der Mittelstand, insbesondere die Familienunternehmen haben im Grunde einen riesigen Wettbewerbsvorsprung. Die größte Gefahr für Familienunternehmen, besonders jetzt mit der neuen Generation, ist, dass sie das unternehmerische Gen nicht besitzen und sich die Frage, „Wie fing eigentlich alles an?“, nicht mehr stellen. Dann werden sie zu Asset Managern. Dann heißt es: „Wir müssen aufpassen, wir haben ein großes Vermögen, und das muss verwaltet werden.“
Ich kenne da ein trauriges Beispiel einer großen Unternehmerfamilie. Da fragt man sich: Was machen die jetzt eigentlich genau? Wofür stehen die eigentlich noch? Wie willst du irgendjemanden überzeugen, dahin zu gehen? Was ist die verbindende Idee? Das ist jetzt schon zerfasert, und in 10 oder 20 Jahren ist alles weg. Dann gibt es vielleicht noch Vermögen, aber alles, was den Mehrwert liefert, den Zusammenhalt, die Attraktivität, die immateriellen Werte, die auch in der Marke stecken, sind dann in Luft aufgelöst. Das ist eine große Gefahr, die noch gar nicht sichtbar genug ist.

INTERCONSILIUM: Man sollte wie Larry Fink agieren und in der eigenen Investorenrolle Wert auf diese Geschichten legen.

DOPHEIDE: Und zwar getrieben aus zutiefst wirtschaftlichen Gründen. Man muss sich bewusst machen, dass diese Geschichten für das Unternehmensmodell wie eine Lebensversicherung wirken.

INTERCONSILIUM: Was kann man nun konkret tun, um sie zu erhalten oder aufzubauen?

„Kommunikation muss
aktiver, muss dialogischer, muss manchmal auch
unerwarteter sein.“

DOPHEIDE: Man darf nicht denken: Die Erfolgsgeschichten von gestern sind die Geschäftsmodelle von morgen. Das sind sie eben nicht. Man muss die Kraft aufbringen loszulassen. Das loslassen, was die Familien groß gemacht hat, obwohl es das Unternehmen erfolgreich gemacht hat und das Geld in die Kasse gespült hat. Zu akzeptieren, dass es in Zukunft nicht mehr so sein wird.
Wie können wir praktisch unsere eigene Mutation und den gedanklichen Sprung schaffen? Da sind Kreativität, Fantasie, Technologie und Erfindergeist wieder gefragt. Und ganz wichtig: Kommunikation. Man kann eben nicht mehr reden wie früher. Die Sprache hat sich geändert, auch durch die Digitalisierung. Die Tonalität hat sich geändert. Die Kanäle haben sich geändert. Selbst der Rhythmus hat sich geändert. Es reicht nicht, zwölfmal im Jahr eine Mitgliederzeitung herauszugeben, wo der Chef vorne mit einem Foto zu sehen ist und unterschreibt. Die Kommunikation muss aktiver, muss dialogischer, muss manchmal auch unerwarteter sein. Viel interaktiver, eindeutig, partizipativer. Kommunikation ist praktisch der Schmierstoff, der neben der strategischen Entwicklung dafür sorgt, dass alle Mitarbeiter mit auf die Reise genommen werden und der Prozess auch gelingt.

INTERCONSILIUM: Wir reden also über den Kit, der die Organisation zusammenhält. Aber Sinn kann man nicht verordnen. Auf diese Ideen könnte der ein oder andere kommen. Es gab in den 90ern mal eine solche Welle. „Wir schreiben die Vision, die Mission und die Werte auf, und damit haben wir das Thema gelöst.“ Sinn ist aber eher ein Prozess als ein Zustand. Der norwegische Publizist Anders Indset drückt es treffend so aus: „Zukunft ist eigentlich eher ein Verb, man müsste eher zukünften sagen.“ Das bedeutet aber auch: Es gibt keine schnelle Lösung, sondern es ist eine tiefe kulturelle Veränderung in den Unternehmen notwendig.

„Es geht nicht nur um
Disziplin und Willenskraft, sondern um einen inneren Antrieb.“

DOPHEIDE: Genau. Es reicht nicht zu sagen, „Da wollen wir hin. Wir wollen die Nummer eins werden.“ Diese Ziele haben meistens keinen tieferen Sinn. Es geht nicht nur um Disziplin und Willenskraft, sondern um einen inneren Antrieb. Und das ist eine andere Tonalität. Das ist kein Claim. Das ist ein fundamentaler Gedanke, der ist vielleicht auch gar nicht sexy, aber der steht einfach für lange da, und unter dem kann man sich versammeln, und Menschen finden sich unter ihm wieder.

INTERCONSILIUM: Mich erinnert die Diskussion sehr an Simon Sinek, der mit seinem initialen Buch und dem 2014 berühmt gewordenen Ted-Talk „Start with Why“ genau diesen Punkt adressierte und Ende 2019 mit „The Infinite Game“ ein weiteres spannendes Gedankenmodell nachgelegt hat. Er beschreibt dort die Wirtschaft als ein Spiel, in dem es weder nur Gewinner noch nur Verlierer gibt.
Das Sinn-Thema in den Unternehmen muss von oben von den Eigentümern à la Larry Fink durch die Gremien auf die Agenda gebracht werden. Falls es die Gremien nicht zum Thema für die Top-Führungskräfte machen, wird es nie im Unternehmen realisiert werden. Herr Dopheide, was raten Sie Unternehmern und CEOs ganz konkret?

„Die Person an der Spitze muss Sinn zu ihrem
persönlichen Thema machen.“

DOPHEIDE: Die Person an der Spitze muss es zu ihrem persönlichen Thema machen. Und die Organisation muss hinterher die Transformation auch selbst umsetzen. Was ihr aber oft selbst nicht gelingt - und dann kommen die Professionen von uns beiden ins Spiel - weil ein Unternehmen sich eben nicht aus sich selbst heraus neu erfinden kann.
Ein Unternehmen braucht so eine Art Gesprächstherapeut, Mentor oder Patenonkel, der sagt: „Pass auf, ich kenne dich, ich verstehe die Prozesse, ich sortiere mal deine Gedanken.“ Die Top-Kräfte brauchen hier keine klassische Beratung. Die sind selbst schon schlau genug. Die brauchen jemanden, der empathischer und menschlicher ist und dadurch, dass er von außen auf ein bestimmtes Thema blickt, Dinge sieht, die dir sonst gar nicht mehr auffallen, weil du auf deinen Schreibtisch fokussiert bist und auf das, was darüber hinaus noch alles zu tun ist.

Am Ende ist es dann ein Prozess, den man durchlaufen muss: Du fängst mit den akzeptierten Wahrheiten an. „Wir können uns über alles streiten, aber wir akzeptieren mal: Wir haben 'das und das' erfunden. Wir sind die Besten. Wir sind dafür ausgezeichnet worden.“ So haben wir schon mal sicheren Boden unter den Füßen. Danach muss man sich mit den Leuten aus seinem Kernteam darauf verständigen, was die „Future Beliefs“ sind. Wir gucken in die Zukunft. „Woran glauben wir eigentlich, wenn wir auf unsere Themen und unsere Märkte gucken? Haben wir eine gemeinsame Sicht?“.

Anschließend guckt man sich die Unternehmenswerte an. „Was haben wir bis jetzt bei transformativen Prozessen falsch gemacht?“. Wir gucken genau hin, wie Unternehmen sind und entdecken: Es ist immer Integrität, es ist immer Verantwortungsbewusstsein, es ist immer Unternehmertum und so weiter. Überall identisch! In welches Unternehmen wir auch gehen.
Aber man vergisst oft zu fragen: „Welche Werte brauchen wir denn?“. Selbst dann, wenn die aktuell noch nicht im Unternehmen angelegt sind. Wenn du aber Innovation oder Teamgeist oder irgendwas anderes nicht hast, dann wird das nichts. Und: „Wie sorgen wir dafür, dass diese Werte, die völlig neu ins Unternehmen kommen, sich dann dort überhaupt entwickeln können?“. Das ist neu. Und dann kommt schließlich die Frage nach dem Sinn. Und der hat eine völlig andere Perspektive. Du fragst dich nämlich nicht: „Was braucht der Markt?“. Sondern du fragst: „Was braucht die Welt?“. Und damit gewinnst du eine andere Sicht auf die Dinge.

Wenn du diese Sicht für dich geklärt hast, dann sagst du: „Okay, was sind die Implikationen für uns?“. Und wenn du die Implikationen hast, fragst du: „Was machen wir jetzt ganz genau?“. Und wenn du das hast, dann ist Kommunikation wichtig. Dazu musst du klären: „Was sind eigentlich unsere Signature-Stories? An welchen Geschichten kannst du sehen, wie wir sein wollen?“. Das sind bestimmt nicht die Verhaltenssätze, die man mit 10 Sätzen in die Kantine hängt, sondern das ist ein kontinuierlicher Prozess, wo du denkst, „Ah, das ist eine tolle Geschichte. Jetzt versteh' ich auch, warum uns das ausmacht oder warum er sich geärgert hat, weil das gegen alles ist, was wir sein wollen.“ In dieser Reihung wird das dann was.

„Du fragst nicht:
Was braucht der Markt,
sondern was braucht die Welt?“

INTERCONSILIUM: Das durchzuführen braucht aber eine ganz andere Art von Führungskraft. Die Person, die die Zahlen zusammenhält und Prozesse optimiert, wird man immer brauchen. Insbesondere in der aktuellen wirtschaftlichen Situation zur Sicherung der Liquidität etc., aber eben weniger an der Spitze. Da bedarf es Persönlichkeiten, die Menschen verstehen, die Menschenkenntnis haben und die sich empathisch einfühlen können, ohne an Durchsetzungskraft zu verlieren.

DOPHEIDE: Ich bin froh, dass Sie das ansprechen. Man kann sagen, Deutschlands Unternehmen und das Land sind gut gemanagt, aber schlecht geführt. Weil dies eine ganz andere Qualifikation ist. Manager, das sind die, die kleinteilig sind, die Details lieben, die Wiedervorlagemappen haben, die lieber Excel-Charts als Bücher lesen. Die braucht man auch, das ist klar. Aber wenn du die an die Spitze hebst, wenn du die klassischen CFOs, die Rechenkünstler, zu den Köpfen des Unternehmens machst, dann passiert was anderes. Dann kannst du gut mit der Financial Community reden, weil die auch in Zahlen denken und auch Excel-Charts mögen.
Aber wir wussten damals schon im Tennisverein: Der Kassenwart ist ein anderer Typ als der Präsident. Der Präsident ist jovial, der kann Menschen einfangen, der kann neue Leute holen, der kann Sponsoren akquirieren, der kann Turniere ausrichten. Und der Kassenwart passt mal schön auf, dass alles stimmig bleibt und der Verein sich auch Tennisbälle kaufen kann. Aber die Fähigkeiten des Präsidenten sind heute bei uns zu kurz gekommen. Man hat immer nur auf das Finanzielle geguckt und als primäres Ziel gesehen. Kommunikation und Empathie sind aber die Schlüsselqualifikationen einer Top-Führungskraft.

„Kommunikation und
Empathie sind die
Schlüsselqualifikationen
einer Top-Führungskraft.“

INTERCONSILIUM: Sie sind Unternehmer. Sie sind Visionär. Wo stehen wir mit dem Thema in 5 bis 10 Jahren?

DOPHEIDE: Wir werden viel weiter sein. Es werden „Cases“ geschaffen, um zu sagen: „Guck mal, die haben sich getraut. Das sind die ersten, die es gemacht haben und sowas will ich auch haben.“ Diese „Cases“ gibt es bisher noch nicht. Mit dem, was wir jetzt gerade draußen sehen - mitten in der Corona-Krise - wird die Situation der Unternehmen diesbezüglich noch viel schlimmer. Corona wird wie ein Beschleuniger sein, der ganz deutlich aufzeigt, dass wir mit dem alten Modell am Ende sind. Ein paar müssen sich finanziell erst noch berappeln. Insofern dauert es vielleicht länger. Andere werden schneller sein und auf die neue Philosophie umschwenken. Dann wird man sehen, dass da eine ganz neue Energie im System ist. Wir werden einige Heldengeschichten haben und zeigen können, wie schnell es dann doch geht. Und das wollen andere dann auch.

INTERCONSILIUM: Vielen Dank! Wir sind gespannt ...

Dr. Marc Viebahn

Nach Strategieberatung und Gründung eines Online-Unternehmens seit 2007 mit Leib und Seele Executive Search Berater.

Hier vertrauen ihm große Familienunternehmen und Family Offices.

Dr. Marc Konieczny

Seit 2014 im Executive Search für Unternehmer, zuvor zwei Jahrzehnte als Forscher und Manager.

Sein Fokus: Unternehmens- und Organisationsentwicklung durch erfolgreiche Nachfolge, Besetzung von Top-Führungspositionen sowie Aufsichts- und Beiräte.