WILLIAMS: Erfolgreich zu sein ist ein komfortabler Status quo. Die 'Illusion der Unbesiegbarkeit' ist sehr mächtig. Es erfordert eine gewisse Größe, einen unternehmerischen Weitblick oder einen Willen zur Veränderung, um ein Team oder ein Unternehmen aus der bestehenden Situation herauszureißen sowie selbst grundsätzliche Fragen anzugehen wie „Bin ich selbst noch der Richtige?“ und „Habe ich einen möglichen Nachfolger?“.
INTERCONSILIUM: Viele Familienunternehmer berichten uns, dass die Nachfolge früher gar nicht diskutiert wurde. Es war klar, wer ins Unternehmen musste. Die heutige Generation denkt aber anders.
KREBS: Völlig richtig. Heute muss niemand mehr bestimmten Wegen folgen. Daher liegt es an mir, an die Nachfolgegeneration ein Angebot zur Ausbildung sowie persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung zu formulieren. Dieses Angebot muss unabhängig davon gelten, ob diese Personen später in die Firma kommen oder nicht. Ich darf hier keinerlei Zwang ausüben.
INTERCONSILIUM: Für ein Unternehmen, das klein startete und immer weiter gewachsen ist, ist es ein großer Sprung, in der Nachfolge sehr prozessual, organisiert und zukunftsgerichtet vorzugehen.
WILLIAMS: Dies gilt insbesondere auch für die Beschreibung der Qualifikation eines Nachfolgers in den nächsten 10 oder 20 Jahren sowie für die konkrete Suche nach jemandem im Unternehmen oder in der zweiten, dritten, vierten Generation.
INTERCONSILIUM: Randel Carlock, der an der INSEAD Business School in Fontainebleau und Singapur Family Business lehrt und langjähriger Vorstand eines an der NYSE notierten erfolgreichen Familienunternehmens war, bestätigte in einem Dialog mit uns, dass es bis zu 20 Jahre dauern kann, um einen CEO aus der Familie inkl. Studium und Berufserfahrung zu entwickeln. Wie sehen Sie das dies?
KREBS: Es gibt hier einen ganzen Strauß an sehr komplexen Fragen: „Wie mache ich aus der nächsten Generation von Gesellschaftern, die oft ja schon mit Anfang 20 Gesellschafter werden, interessierte Gesellschafter, und aus interessierten Gesellschaftern engagierte Gesellschafter, aus engagierten Gesellschaftern Gesellschafter mit Verantwortung, und wie mache ich aus welchen, die die Verantwortung haben, auch welche, die Verantwortung wirklich tragen? Und wie lautet für jeden Schritt das Qualifikationskriterium, um später Mit-glied einer operativen oder kontrollierenden Holding-Geschäftsführung zu werden, oder mit welcher Qualifikation überhaupt können Familienmitglieder in welche Rollen im Unternehmen eintreten? Müssen sie bereits 10 Jahre woanders verbracht haben oder können sie direkt in die Firma? Was ist, wenn sie die Seiten wechseln vom Operativen auf die Governance-Seite? Welche Erfahrung müssen sie dafür mitbringen? Wie stelle ich sicher, dass ein Mitglied im Beirat, Gesellschafterrat/Aufsichtsrat aus der Familie überhaupt ein Sparrings-Partner für den CEO und das externe Top-Management sein kann? Wie und wo im Prozess gebe ich Verantwortung ab und teste dies vorab entsprechend?
INTERCONSILIUM: Apropos Verantwortung: Sie sprechen in Ihren Vorträgen von dem 'Verantwortungssog'. Was meinen Sie damit?
KREBS: Vor vielen Jahren in einem amerikanischen Unternehmen kam mein Chef zu mir und sagte „Ich brauche 40 Prozent Deiner Zeit für globale Aufgaben, für ein internationales, globales Projekt in meinem Verantwortungsbereich, um den Konzern umzustrukturieren. Ich möchte aber nicht, dass Du diese 40 Prozent 'on top' arbeitest, sondern dass Du einen Teil Deiner Aufgaben abgibst.“ Das klingt zunächst leichter gesagt als getan, und ich habe daher auch entsprechend geantwortet: "Wie soll das gehen? Wie stellst Du Dir das vor?"
Er erwiderte: „Du musst sehen, ob Du die richtigen Leute hast, denen Du Teile Deines persönlichen Verantwortungsbereiches abgeben kannst. Wichtig ist, dass diese die Aufgaben aber auch nicht 'on top' machen. Sie müssen erreichen, dass nicht nur sie selbst qualifiziert sind, sondern dass sie qualifizierte Personen in ihren Organisationen haben, die einen Teil ihrer Aufgaben wiederum erfolgreich übernehmen können.“
INTERCONSILIUM: Es wird also nicht nach unten delegiert, sondern die Besten werden auf die obersten Ebenen weiterentwickelt.
WILLIAMS: Richtig. Das Leistungsniveau wird so extrem nach oben gezogen, kaskadenartig bis weit in die Organisation hinein. So wird der Blick strategischer, der Arbeitsalltag interessanter, und ein kompletter Kulturwandel ist möglich.