Alle drei genannten Rollen stellen wiederum unterschiedliche, teilweise auch entgegengesetzte Anforderungen an Persönlichkeit, Fähigkeit und Wissen eines Family Officers. Durch Definition der Rollen können diese aber wiederum gezielter definiert werden, als durch eine allgemeine Betrachtung.
Von der Persönlichkeit eines Beraters erwartet man einerseits eine hohe analytische, aber auch emotionale Intelligenz sowie eine ausgeprägte Dienstleistungsmentalität. Die Fähigkeiten eines Beraters umfassen traditionell strukturierte Problemlösungsfähigkeiten, Komplexitätsreduktion, Schnittstellenmanagement sowie kommunikative Fähigkeiten. Das Wissen ist hier aufgrund der großen Breite der Aufgaben am wenigsten stark beschreibbar.
Von der Persönlichkeit eines Investors erwartet man Entscheidungsstärke, Gefühl für Timing und einen „kühlen Kopf“. Auf Seiten der Fähigkeiten sind beim Investor insbesondere systema-
tisches Vorgehen mit ausgeprägter Prozesstreue, Bewertungskompetenz sowie Verhandlungsgeschick zu nennen. Je nach Anlageklasse kann das Wissen sehr fokussiert oder breit gestreut sein. Häufig sind hier übliche Renditen, bzw. Preise/Multiples, Usancen, rechtliche Strukturen oder steuerliche Behandlungen zu nennen.
Von der Persönlichkeit eines CFOs, bzw. Kaufmännischen Leiters erwartet man große Genauigkeit bzw. Korrektheit, Zahlenaffinität sowie ein besonnenes, ausgeglichenes Auftreten. In Bezug auf die Fähigkeiten erwartet man natürlich mathematische Fähigkeiten, kaufmännische Methodensicherheit sowie einen „Blick für die Richtigkeit“ zur Plausibilitätsprüfung. Je nach Tätigkeitsfeld, Bilanzierung, Controlling, Steuern oder Recht wird unterschiedliches Wissen über Bilanzierungsgrundsätze, Controllingmethoden, Steuergesetzgebung oder allgemein juristisches Wissen erwartet.
Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen die Schwierigkeit, die heutigen Anforderungen an einen Family Officer im individuellen Fall zu definieren und festzuhalten. Noch komplexer wird dieses, wenn man auch die Anforderungen an den Family Officer der Zukunft einbeziehen möchte.
Im aktuellen Umfeld der Digitalisierung und der Generationswechsel innerhalb vermögender Familien kommen reflexartig Anforderungen in Richtung IT-Erfahrung und intergenerationelle Fähigkeiten auf. Diese Themen sind relevant und im Hinblick auf die nächsten 5-10 Jahre vollkommen verständlich. Da Family Officer „ihren“ Familien aber teilweise über mehrere Jahrzehnte treu bleiben, sind diese konkreten Anforderungen nicht ausreichend.
Die Geschwindigkeit des Wandels ist hoch, und es zeichnet sich auch keine Verlangsamung des Wandels ab. Wir leben in der sogenannten VUKA-Welt, in der wir mit hoher Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität umgehen müssen. Dies bedeutet, dass bestehendes Wissen eine geringere Halbwertzeit hat als in der Vergangenheit. Verstärkt wird dieser Zustand durch die einfache und schnelle Verfügbarkeit von Wissen. Wichtiger werden aber in einer derartigen Welt Fähigkeiten. Allein die Fähigkeit der Wissens- und Informationsverarbeitung wird immer wichtiger. Von zentraler Bedeutung wird aber ebenfalls die Fähigkeit der strukturierten Problemlösung, d.h. sich immer wieder in neu auftretende Problemkomplexe einarbeiten zu können und deren Auswirkung auf die Familie und deren Vermögensanlage abzuschätzen und dementsprechend zu handeln. In der Natur würde man von einer hohen Anpassungsfähigkeit als Gegenpol zu einer hohen Spezialisierung sprechen.
Als Konsequenz für das Anforderungsprofil an den Family Officer der Zukunft bedeutet das nicht, dass Wissen unwichtig wird. Vielmehr bedeutet es, dass Fähigkeiten wichtiger werden und dass diese bei der Aufstellung der Anforderungen und der darauffolgenden Selektion von Family Office Kandidaten stärker berücksichtigt werden müssen. Im obigen Modell kann man sich diesen Effekt als eine Verbreiterung des Kreises mit Fähigkeiten vorstellen.